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Johannes Trojan: Thorn, 1934  


Rathausturm mit Copernicusdenkmal

Johannes Trojan:

Thorn


aus:

Deutsche Strombücher: Die Weichsel, Hrsg.: Ernst Weding, Berlin 1934

S. 43 ff

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Weichselstädte und Burgen
 

Die Zahl in blauer eckiger Klammer, z.B.: [23], bezeichnet in diesem Dokument immer den jeweiligen Seitenanfang im Original.

[43]Von Danzig kommend, langte ich in Thorn an, das mir von meiner Kindheit her als die berühmte Pfefferkuchenstadt in guter Erinnerung war. Welch eine herrliche Stadt! In ihrem Reichtum an mittelalterlichen Bauwerken kommt sie sogleich nach Danzig, sie hat aber noch ihr besonderes Eigentümliche.

Längere Zeit verweilte ich auf dem Marktplatz, wo das stattliche Rathaus steht. Es sieht sehr altertümlich aus; alt sind daran aber nur die Umfassungsmauern; denn 1703, im Schwedenkriege, ist es vollständig ausgebrannt. Durch das Eingangstor kommt man in einen Hofraum und erblickt an einer diesem zugekehrten Wand eine neuerdings angebrachte Tafel, deren Inschrift für die Geschichte des Landes von Bedeutung ist. Es ist eine Gedenktafel zu Ehren des Thorner Bürgermeisters Rösner und der elf Thorner Bürger, die am 7. Dezember 1724 vor dem Rathause hingerichtet wurden. Es ist das eine Begebenheit, die in der Geschichte unter dem Namen des Thorner Blutbades verzeichnet ist.

Auf dem Markt steht die Bildsäule des Nikolaus Kopernikus, des berühmten Thorners, dessen lateinische Inschrift in deutscher Sprache bedeutet: "Der die Erde sich bewegen, Sonne und Himmel stillstehen hieß." Das Postamt ist geziert durch einen fließenden Brunnen mit Ruhebänken.

Auf den Bänken sitzen polnische Floßknechte, lange Roggenbrote in den Händen, von denen sie sich Stücke abschneiden oder abbrechen. Ihre Hauptkleidungsstücke sind Hemd und Hose aus grobem Leinen; das Hemd aber tragen sie über den Hosen. Von einer Fußbekleidung ist bei ihnen nicht die Rede. Über den Unterkleidern haben sie noch eine Jacke oder etwas Ähnliches, das sie sich im Kleidergeschäft am Rathause erstanden haben. Einer von ihnen hat einen alten russischen Militärmantel umgeschlagen; ein anderer trägt den ausgedienten Uniformrock eines sächsischen Jägers. Einer, dessen Kleidung ganz [44] zerlumpt ist, hat auf dem Kopfe einen funkelnagel-neuen Filzhut. Filzhüte haben die andern auch auf, aber ganz alte und abgebrauchte. Darunter sehen die gutmütigen Gesichter hervor mit dem breiten Munde und den struppigen blonden Schnurrbärten darüber.

Daneben sitzt ein jüdischer Handelsmann aus Polen mit einem langen schwarzen Bart und spricht mit einem von ihnen. Er hat einen langen schwarzen Überrock, den Kaftan, an und auf dem Kopfe eine schwarze runde Mütze ohne Schirm. Solcher Männer sind mehr zu sehen auf den Straßen. Sie stehen in Gruppen beisammen oder sitzen auf einer Bank vor der Haustür plaudernd und rauchend.

Von den alten Kirchen Thorns sind die bedeutendsten die Marienkirche am Markt, die Johanniskirche, die nicht sehr weit davon steht, und die Jakobs-kirche mit wundervollem Chorgiebel in der Neustadt. Was für einen mächtigen Eindruck machen diese von der Zeit dunkel gefärbten ungeheuren Massen von Backstein in ihren einfachen Formen! Das Düstere des äußeren Anblicks wird bei der Johanneskirche durch eine freundliche Einfassung gemildert. Das Gebäude ist umgeben von einer Mauer, die so hoch ist, dass ein hochge-wachsener Mann eben hinüberzublicken vermag. Zwischen der Mauer und der Kirche ist ein Raum, der zu gärtnerischen Anlagen benutzt und ganz mit hübschen Ziersträuchern und kletternden Gewächsen bepflanzt ist.

Von dem alten Thorner Ordensschlosse ist nicht mehr viel übrig. Es steht noch ein mächtiger Turm da, der Dansker, der als Warte diente. Der Dansker in Thorn war mit dem Ordensschlosse durch einen Gang mit weitgespanntem Bogen verbunden. Dieser schöne Bogen steht noch. Sonst sind nur Mauer-reste vorhanden und ein wiederhergestellter Teil der alten Burg, der Junkerhof genannt, der eine Zierde der Stadt bildet.

Aus der Stadt führen verschiedene Tore zur Weichsel hinaus, darunter das ansehnliche Brückentor, das auf der Wasserseite seine alte Gestalt behalten hat. Von der alten Stadtmauer ist noch viel Mauerwerk übrig; auch eine Anzahl zum Teil verfallener Türme, die zur Stadtmauer gehörten, ist noch übrig-geblieben. Unter diesen fällt am meisten der "Schiefe Turm" auf, der sich nach der Seite derart hinüberneigt, dass seine Abweichung von der senkrechten Linie fast 2 m beträgt.

[45] An den Giebelhäusern aus alter Zeit besitzt Thorn nicht sehr viele, aber doch einige recht hübsche Speicher, Thorn ist überhaupt eine schöne Stadt und so freundlich gelegen, dass es ein Vergnügen sein muß, dort zu wohnen. Seinen Ruhm als Ursprungstätte der besten Pfefferkuchen hat es sich bis heute bewahrt; dagegen hat es seinen Ruhm eingebüßt, auch im Weinbau Bedeutendes zu leisten. Es waren aber in der Ordenszeit alle Hügel bei Thorn mit Reben bepflanzt, die, wie die Geschichtsschreiber berichten, einen über alle Maßen guten Wein lieferten.

Johannes Trojan
Aus: Johannes Trojan, Auswahl aus seinen Schriften.


 

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Johannes Trojan: Thorn, 1934  

© 2000  Volker J. Krüger, heim@thorn-wpr.de
letzte Aktualisierung: 08.03.2005