HEIM@THORN Editorial - Inhalt Die Thorner Stadtniederung - Inhalt Das Buch - Inhalt
Quellen - Inhalt Anhang - Inhalt Die Links
Thorner Ehrentempel, 1832  


Titelblatt Thorner Ehrentempel

Dr. Karl Gotthelf Prätorius

Thorner Ehrentempel

oder

Verzeichniß der Bürgermeister und Rathmänner der Stadt Thorn


Berlin 1832

Diese Seite ist ein Dokument mit einem Kapitel Text [V] Vorrede
 

Die Zahl in blauer eckiger Klammer, z.B.: [23], bezeichnet in diesem Dokument immer den jeweiligen Seitenanfang im Original.

Der ehemalige hiesige, vorzüglich um die Geschichte seiner Vaterstadt sich höchst verdient gemachte Bürgermeister, Jakob Heinrich Zernecke, gab unter andern Schriften, auch nachstehende heraus: Summarischer Entwurf des geehrten und gelehrten Thorns. Thorn 1712. 4. In diesem befindet sich ein bloßes, mit dem Jahre 1350 anhebendes Namens-Verzeichniß, sowohl der Bürgermeister mit Bemerkung ihrer Antritts- und Sterbejahre, als auch der Rathmänner, mit Bezeichnung der Jahre, wenn sie in den Rath gekoren, zur Bürgermeisterwürde befördert worden, und mit Tode abgingen, jedoch aber erst vom Jahre 1601 ab.

Diese Unvollständigkeit bestimmte den ehemaligen hiesigen, im Jahre 1774 verstorbenen Prorektor M. Centner, einen mit vielseitigen Kenntnissen ausgestatteten Mann, zur Umarbei-tung und Fortsetzung jener Verzeichniße, und kündigte er diese Arbeit in den hiesigen wöchentlichen Nachrichten vom Jahre 1765 S 303. unter den Titel an: Thornischer Ehrentempel oder Verzeichniß der sämmtlichen Herrn Bütgermeister und Herrn des Raths in Thorn, nach Anleitung der Kührbücher. Von dieser schätzbaren Schrift erschienen auf Schreibpapier in Median Quart Format, blos die ersten zwölf Bogen die den Zeitraum von 1350 bis 1592 in sich fassen. Vom übrigen befand sich die Handschrift in der hiesigen Gymnasiums-Bilbliothek, und eine Abschrift besitzt der Herr Unterrichter Wachschlager. Dies Verzeichniß ist aber nicht tabellarisch, sondern werden die alljährlich im Rathe vorgefallenen Veränderungen angegeben, wobei natürlich Wiederholungen unvermeidlich waren. Außerdem sind hin und wieder einige Berichtigungen beigefügt, auch einige wenige Rathsmitglieder vor dem Jahre 1350 gelegentlich angemerkt.

[VI] Endlich kam vor einigen Jahren ein mit dem Jahre 1350 anhebendes Verzeichniß der Bürgermeister als Zugabe zum Adreßbuche des Marienwerderschen Regierungs-Departements heraus, welches, obwohl hin und wieder einige geschichtliche Anmerkungen sich vorfinden, eine der Uebersicht hoechst erschwerende innere Einrichtung hat. das Verzeichniß der Rathmänner aber, welches nachzuliefern versprochen wurde, ist bis jetzt nicht erschienen.

Da nun aber alle diese Verzeichnisse mit dem Jahre 1350 anfangen, mithin alle inn frühern Zeiten gewesene Rathsmitglieder, so wenige man deren auch in Urkunden und andern sich erhaltenen Nachrichten zerstreut vorfindet, übergangen sind und wegen ihrer innern Einrich-tung dem Leser keinen Ueberblick des gesammten Rathspersonals gewähren, das doch ein nicht ganz unbedeutendes Resultat ergiebt; die ausgezeichnetesten Männern durch keine, wenn auch nur kurze Anmerkungen ausgehoben worden; die Mitglieder des Raths der Neustadt, vor ihrer Vereinigung mit der Altstadt, ganz übergangen sind; endlich von der Zeit, wo sich die älteren Verzeichnisse schließen, mehrere Männer den Rath geziert haben, deren Namen wohl auf die dankbare Nachkommenschaft gebracht zu werden verdienen, so glaubte ich daß ebenhierin mein Vorhaben eine Rechtfertigung finden dürfte, wenn ich hiermit ein ganz vollständiges Verzeichniß der hiesigen Bürgermeister und Rathmänner von der frühesten Zeit ab mit historisch kritischen Anmerkungen versehen, einem größern Publikum zu übergeben wage.

Mehrere in diesem Verzeichnisse jedoch vorkommende Andeutungen, die einigen Lesern nicht ganz verständlich sein dürften, veranlassen mich noch folgendes hier anzufügen.

Der Rath der ursprünglichen Stadt Thorn, der nachherigen Altstadt Thorn, nämlich, bestand nach dem fast in allen nordischen Städten beobachteten Gebräuchen, bis in das 16te Jahrhundert, in der Regel nur aus zwölf Personen. Das vorsitzende Mitglied führte die Amtsbenennung, Schultheiß, (Scultetus, in der Culmischen Handfeste Judex, an einigen Orten auch Advocatus) nach Anordnung besonderer Gerichte aber, Bürgermeister, und jene Benennung ging auf die Vorsitzer bei den Gerichten über. Der Vorsitz wechselte alle Jahre, und der abgehende Vorsitzer behielt jene Amtsbenennung nicht bei. In der Folgezeit aber, seit wann läßt sich nicht bestimmen, jedoch noch unter der Regierung des deutschen Ordens, wechselte der Vorsitz unter vier besonders dazu ausersehenen Rathmännern. Diese führten jene Amtsbenennung und der vorsitzende Bürgermeister wurde zum Unterschiede von den drei übrigen, regierender Bürgermeister genannt, denn die Benennung Präsident ist ungleich spätern Ursprungs, kommt auch im sogenannten Kurialstyl nie vor.

Die Rathmanns-Würde war fast drei Jahrhunderte hindurch, ein Ehrenamt, ohne alle Besol-dung, und nur auf die Dauer eines Jahres eingeschränkt, weshalb auch der Diensteid nur auf ein Jahr gestellt war. Nach Ablauf des [VII] Jahres hing es größtentheils von dem Gutdünken des bis in das 16te Jahrhundert bestandenen Kollegiums der Aeltesten Herrn ab, was aus den abgegangenen Bürgermeistern und einigen wenigen der ältesten und verdientesten Rathmännern bestand, wer von den Rathmännern auch für das folgende Jahr im Rathe verbleiben sollte. Die ausscheidenden behielten ihre Amtsbenennung bei, wurden aber nichtgekührte oder nichtaufgerufene Rathmänner genannt, wogegen die im Rathe verbliebenen und die neu-gewählten, unter der Benennung gekührte auch aufgerufene Rathmaänner vorkommen, welches man wohl nach dem jetzigen Sprachgebrauche durch inactive und active Rathmänner bezeichnen könnte.

Obwohl nach der im Jahre 1454 erfolgten Vereinigung der Neustadt mit der Altstadt, die An-ordnung, jedoch nur stillschweigend getroffen wurde, denn keine Verhandlung läßt sich darüber vorfinden, daß in dem jetzt beiden Städten gemeinschaftlich gewordenen Rathe, vier in der Neustadt ansäßige Bürger Sitz und Stimme haben sollten, so überstieg die Anzahl der Rathsmitglieder doch sehr selten die Zahl zwölf, und erst vom Jahre 1523 ab, erschienen im Rathe regelmäßig sechzehn Personen, nämlich vier Bürgermeister, acht altstädtische und vier neustädtische Rathmänner, und in diese Anzahl mit einbegriffen, der Alt- Neu- und Vorstädtische Richter, die bis dahin mit äußerst seltener Ausnahme, während ihres Dienstjahres als Richter, weder Sitz und Stimme im Rath hatten, noch in dem Kührbuche unter den Rathmännern vorkommen, so wie auch vom Jahr 1526 ab, der Unterschied zwischen gekührten und nicht gekührten aufhörte und jedes Mitglied des Raths, zeitlebens actives Mitglied blieb, wenn er nicht selbst den Abschied nahm, oder durch üble Führung seines Amtes entsetzt wurde.

Die Kühr, nach welcher in frühester Zeit ein Schmaus statt fand, wurde am Festtage Petri Stuhlfeier, (22. Februar) anfänglich in der Kirche, von 1518 ab auf dem Rathhause in dem kleinen Nordsaale, späterhin in dem großen westlichen Saale gehalten. Seit dem Jahre 1601 aber, wurde die geheime Kühr oder die Wahl selbst, auf den Montag und Dienstag nach dem Sonntage Lätare, und die öffentliche Kühr, oder die Bekanntmachung der getroffenen Wahlen, auf die Mittwoche darauf verlegt, und war die letzte öffentliche Kührim Jahre 1792. Die dabei bis zu der im Jahre 1793 erfolgten Auflösung der freistädtischen Verfassung der Stadt beobachteten Gebräuche, enthält das neueste Kührmodel vom Jahre 1601.

Obwohl am hiesigen Orte das Patriciat im eigentlichen Sinne des Worts nicht eingeführt war, so wurden doch mehrere Familien, wie dies nun schon einmal in der Welt zu gehen pflegt, und auch wohl bis zu ihrem angeblichen Ende gehen wird, vor andern Familien dadurch ausgezeichnet, daß aus ihnen öfters als aus den übrigen, Personen in den Rath gekoren wurden, und habe ich solche Familien durch die ihrem Namen beigefügte römische Zahl bezeichnet.

[VIII] Der Umstand, wie Personen nur ein Jahr im Schöppenstuhl belassen, und sodann in den Rath gewählt wurden, bezeichnete nicht nur eine Begünstigung, sondern sprach auch vielleicht für ihre Brauchbarkeit. Ein gleiches Bewandniß hatte es mit dem unmittelbar aus dem Sekretariat, mit Uebergehung des Schöppenstuhls, gewählten Rathmännern, so wie auch mit den Ungekührten, wenn sie öfters wieder in den Rath gekoren wurden. Alles dies ist von mir gleichfalls abgemerkt worden.

Da vielleicht einige Leser wünschen könnten, zu wissen, welche Rathmänner aus der Neustadt gewählt worden, so habe ich diese durch ein ihrem Namen vorgesetztes * bezeichnet.

Zur Verständigung der mehreren Personen beigelegten Würde eines Culmischen Landschöppen, muß ich bemerken, daß in dem für diese Wojwodschaft Culm angeordneten und bis 1772 bestandenen adelichen Landgerichte, welches jährlich drei Sitzungen hatte, zu Graudenz den Montag nach Quasimodogeniti, zu Rheden den Montag nach Trinitatis, und zu Thorn den Montag nach Hedwig, die Stadt Thorn mit zwei Stimmen Sitz hatte. Da aber jeder Beisitzer mit einem adelichen Gute (bonum terrestre) ansäßig sein mußte, so wurden die aus dem Rath gewählten, wenn sie dergleichen Güter nicht besaßen, mit solchen aus dem gebiete der Stadt förmlich belehnet, bezogen auch die Einkünfte davon, mußten aber Reversalen ausstellen, daß sie auf das Eigentum der Güter keine Ansprüche machen wollen noch können.

Da die Stadt Thorn seit den frühesten Zeiten bis in das 17te Jahrhundert einen unmittelbaren Seehandel nach England, Frankreich, Dänemark, Schweden, Brabant, Flandern u. a. O. trieb, so war es nothwendig, daß sie sich zur Sicherung dieses ihres ausgebreiteten handels, in den Hanse-Bund, diese von der Mitte des 13ten bis die Mitte des 17ten Jahrhundertsbestandene glänzende und zugleich mächtige Handelsverbindung, zu Anfange des 13ten Jahrhunderts, wenn nicht, mehr als wahrscheinlich, noch früher, aufnehmen ließ, und auch in derselben bis zu seiner im Jahre 1669 erfolgten Auflösung verblieb. Die Stadt beschickte daher durch ein, öfters auch durch zwei Mitglieder des Raths die jedesmaligen Versammlungen dieses Bundes, welche Hansetage genannt und gewöhnlich zu Lübeck, mitunter auch in andern Städten, z.B. Köln, Stralsund, Rostock, Hamburg, Wismar, Braunschweig, Brügge, Bremen u. a. O. abgehalten wurden. Da mit diesen Gesandschaften bedeutende Kosten verbunden waren, der Handel der Stadt aber abzunehmen anfing, so war die letzten persönliche Beschickung im Jahre 1572, und von da ab stellte der Rath stets Vollmachten auf Danzig aus.

Daß der Rathmann Albrecht Ruß VII., im Jahre 1398 Kommandant von Stockholm war, dient zur Verständigung nachstehendes. Ueber den in der [IX] Schlacht bei Falköping 1388 in die Gefangenschaft der Königin von Dänemark, Margaretha, dieser damahligen nordischen Heldin, gerathene König von Schweden, Albrecht nebst seinem Sohne Erich, verglich sich gedachte Königin mit den Hansestädten durch deren zu Helsingburg sich eingefundenen Gesandten von Lübeck, Thorn und Stralsund dahin, daß sie ihnen den König auf drei Jahre unter der Bedingung überlieferte, daß wenn sie ihn nicht nach Ablauf der drei Jahre zurückliefern würden, sie 60000 Mark fein Silber zahlen sollten, wogegen ihnen zum Unterpfande die Stadt Stockholm nebst dem dortigen Schloße eingeräumt wurde. Die Hansestädte verglichen sich wieder unter sich dahin, daß die Stadt Stockholm eine zweifache Besatzung, eine von den unter der Regierung des deutschen Ordens stehenden vier Hansestädten, Thorn, Elbing, Danzig und Reval, die andere aber von den übrigen Hansestädten haben, und jeder ein besonderer Kommandant vorgesetzt werden soll. Dem zufolge erwählten die vier Städte zuerst den Danziger Rathmann Hermann von der Halle, und im Jahre 1398 den hiesigen Rathmann Albrecht Ruß VII. und war er der letzte, da die Hanse es für vortheilhaft hielt, Stockholm zu räumen und den König seinem Schicksale zu überlassen, als jene bedeutende Summe zu zahlen. Die Eide welche der Kommandant sowohl als die Stadt Stockholm den Städten leisten mußten, findet man in Schützens Preußischer Chronik S. 91. (Histor. rer. Pruss.)

Die bei mehreren Familien angemerkten Wappen anlangend, so wurden nach einer in der hiesigen Chronik S. 229. aufgenommenen Nachricht, "im Jahr 1603 den 30. Juni auf Befehl des Rathes, die Wappen der alten und annoch blühenden Familien im Lande und dieser Stadt zu St. Marien unweit der Sakristei, nach dem Altarwerts, zum stets währenden Andenken, in fünf langen Reihen aufgehangen." Diese Wappen hundert an der Zahl, von welchen 67 mit den Namen der Familien bezeichnet sind, hingen als gedachte Kirche 1724 der katholischen Gemeinde überwiesen werden mußte, auf dem Rathhause längs den Wänden des nördlichen und westlichen Saales, ingleichen des Korridors, wurden aber 1812, als das Rathhaus auf Befehl des hier zur Stelle anwesend gewesenen, nachherigen Anachoreten auf Helena, zum Lazareth eingeräumt werden mußte, abgenommen, in der Folge aber, jedoch nur zum Theil wieder aufgehangen, warum aber nicht alle, davon will mir wenigstens kein zureichender Grund einleuchten, da sie ja zur Zierde des Rathhauses beitragen, und herrliche Erinnerungen aus der Vorzeit sich daran knüpfen. Ueber ihre Versetzung aus der Kirche in das Rathhaus, habe ich zwei, sich aber widersprechende Nachrichten vorgefunden. Nach der einen sollen sie von den Bernhardinern, welchen jene Kirche überantwortet wurde, den 9ten Januar 1733 unentgeldlich zurückgeliefert worden sein; nach der andern dagegen soll der Bürgermeister Theophilius Daniel Bärholz sie den Bernhardinern abgekauft und dem [X] Rath geschenkt haben, welche letztere Nachricht mir wenigstens die wahrscheinlichste zu sein scheint, wenn man den damahligen Haß der katholischen Geistlichkeit gegen die Protestanten und den Umstand erwägt, daß gedachter Bürgermeister zu den Männern gehört, die sich um den Wiederaufbau des Rathhauses nach dem unglücklichen Brande im Jahre 1703, bleibende Verdienste erworben haben.

Was das Verzeichniß der Mitglieder des Raths der Neustadt, vor ihrer Vereinigung mit der Altstadt betrifft, so darf ich wohl nicht erst bemerken, daß es äußerst unvollständig ist, weil das dortige Kührbuch mit allen übrigen Verhandlungen des Raths, ohne Hinterlassung auch nur der geringsten Spur, verschwunden ist. Die Chronik läßt sich darüber S. 12. ganz eigen aus, so daß man annehmen könnte, daß die Vernichtung von Seiten des altstädtischen Raths, vorsätzlich geschehen, welcher Wandalismus sich aber nicht einmahl träumen läßt, wenn man den glänzenden Ruf mehrerer zu der Zeit im Rathe gewesenen Männer nur flüchtig berücksichtigt. Daß aber von Seiten des neustädtischen, von der Gemeine 1453 abgesetzten Raths, Menschlichkeiten dabei untergelaufen sein mögen, dies wird nur zu wahrscheinlich, wenn man die Veranlassung zu dieser Dienstentsetzung, die steten Spannungen zwischen dem Rathe beider Städte nicht nur, sondern auch der zwischen ihren Bürgern, vorzüglich seit dem schimpflichen Austritt des dortigen Raths mit einem jedoch nur kleinen Theile der dortigen Bürgerschaft, aus dem bekannten Bunde vom Jahre 1440, und die Rotte, an deren Spitze der berüchtigte neustädtische Rathmann, Martin Vogel, stand, in Erwägung zieht. Eine nähere Auseinandersetzung gehört nicht hierher, sondern in die Geschichte der Stadt. Ich habe daher nur die aufnehmen können, die ich in Urkunden und mir vorgekommenen Verhandlungen, ingleichen in dem Verzeichnisse der dortigen Schöppen, dem die Richter stets beigefügt sind, vorfand. Eben so läßt sich von der Verfassung der Neustadt unter der Regierung des deut-schen Ordens nur so viel mit Gewißheit ermitteln, daß die Stadt ihren besondern Rath und ihr besonderes Gericht hatte, letzteres aus 10 Schöppen, ersterer aus eben so vielen Personen bestand, stets nur drei Bürgermeister waren; der Gemeine die durch das Kollegium der Zwölfer repräsentirt wurde, eine gesetzliche Theilnahme an der Regierung der Stadt zustand, welches bis zum Jahre 1526 in der Altstadt nicht der Fall war, daß der Komthur den Rathsversammlungen beiwohnte und den Vorsitz führte, welches ihm die Altstadt nie eingeräumet hat, daß sie zu den kleinen Städten gehörte, im Landesrath und auf den Tagfahrten keinen Sitz noch Stimme hatte, sich nicht im Hansebunde befand, so wie sich auch die unbedeutende Nachricht erhalten hat, daß nach der Schöppenwahl, die Neugewählten einen Schmaus geben mußten, worüber im Jahr 1452 Irrungen entstanden, die durch den Komthur dem Hochmeister zur Entscheidung vorgetragen wurden. Auf welche Art diese erfolgte, habe ich nicht [XI] vorfinden können, wahrscheinlich fiel der Hochmeister dem gutachtlichen Berichte des Komthurs bei, die dahin ging, alles beim Alten zu lassen, weil die alten Schöppen sonst keine Sitzungen halten wollten.

Daß der erste ursprüngliche Name der Stadt, Thorun, gewesen, dies beweisen die von dem Rathe sowohl als dem deutschen Orden ausgestellten Urkunden, so wie auch die Umschrift auf allen drei Stadtsiegeln, und konnte daher der biedre alte Chronist Lukas David mit Recht sagen: "als nun diese Feste im Jahre 1231bereitet war, nannten sie die, Thorun, denn so wird's von den alten geschrieben und benannt." Fehlerhaft sind mithin lateinische Benennungen, 'Thorunium Thornniensis, statt Thorunum und Thorunensis, und vollends abgeschmackt und höchstens einem Dichter verstattet, die Benennung, Thorunia. Diese ursprüngliche Benennung der Stadt schaffte der Rath im Jahr 1477 ab, und bediente sich von da ab der jetzigen Benennung. Der Grund wird in den Rathsverhandlungen nicht angegeben, höchst wahrscheinlich mag jene Benennung unsern biedern deutschen Altvordern zu polnisch geklungen haben (Torun ist die polnische Benennung) denn ein anderer Grund will mir nicht einleuchten.

Die innere Einrichtung dieses Verzeichnisses endlich anlangend, so konnte ich die Ueberschrift der zwei erste Spalten nicht füglich anders fassen, da vor der ersten im Jahre 1350 beliebten Anordnung des Kührbuches, in welches alle Jahre die Namen der Rathsmitglieder, Schöppen, Sechzig Männer (dritte Ordnung) und Subalterne, ingleichen des Mockerschen Gerichts und aller Lehnsmänner, ein getragen wurde, die Antritts-Jahre der Rathmänner nirgends hervorgehen; von gedachtem Jahre ab aber bezeichnen die angegebenen Jahre ganz genau die Antritts- und Beförderungsjahre eines jeden Einzelnen. Aus demselben Grunde hat auch die dritte Spalte nicht früher ausgefüllt werden können. Die vierte Spalte, mit Burggraf bezeichnet, greift erst vom Jahre 1457 ein, in welchem König Kasimir IV. der Stadt die Vergünstigung ertheilte, aus der Mitte des Raths einen Hauptmann (Starosten) zu wählen, welche Benennung baldigst in die eines Burggrafen über ging, um nicht einen Fremden zu haben. Obwohl man annehmen kann, daß der Rath von dieser Vergünstigung auch sofort Gebrauch gemacht haben wird, so müssen doch darüber keine Verzeichnisse geführt oder solche verloren gegangen sein, weil erst vom Jahre 1523 ab, die jedesmahligen Burggrafen ohne Unterbrechung vorfindet. Daß in der fünften Spalte vorzüglich in früheren Zeiten, bei sehr wenigen die Sterbejahre angegeben worden sind, davon liegt der Grund in der unterlassenen Anmerkung derselben im Kührbuche. Was die beigefügten Notizen betrifft, so dürften vielleicht mehrere Leser vermissen, daß sie nicht umständlicher ausgefallen sind. Indessen kann ich sie versichern, daß ich über die mehrsten der aufgeführten Personen, nichts mehr vorgefunden habe, als von mir angemerkt worden. Und [XII] wenn auch unter einigen z.B. Stroband, Rösner, Zernecke u. m. a. mehreres angemerkt werden konnte, da es an Nachrichten nicht fehlt, so mußte ich mich doch nur auf das allerwesentlichste einschränken, um die mir gesetzte Grenze nicht zu überschreiten, habe aber angegeben, wo man umständlichere Nachrichten über sie vorfindet. Daß bei vielen Personen nichts angemerkt worden, davon liegt der Grund nicht darin, daß diese Personen ganz unbedeutend gewesen und gar keine Verdienste um die Stadt gehabt haben sollten, sondern lediglich im gänzlichen Mangel an Nachrichten über sie, worauf auch das dieser Schrift vorgesetzte Motto zum Theil hindeutet.

Uebrigens habe ich aus Dankbarkeit und gebührender Beachtung der Verdienste meines Vorgängers, des Eingangserwähnten Prorektors M. Centner, den von ihm gewählten Titel um so mehr beibehalten zu müssen geglaubt, als ja überhaupt jede Ortsbehörde für die Bürger und Einwohner ein Ehrentempel sein muß, und so ganz vorzüglich die Rathsversammlung zur Zeit der freistädtischen Verfassung der Stadt, wegen ihrer glänzenden und zum Theil fürstlichen Vorrechte, einen wahren Ehrentempel bildete, der Bürger wohl keinen höhern Wunsch hegen konnte, als in dieselbe aufgenommen zu werden, und der Tag der Wahl in den Rath unstreitig der Moment war, wo die Bürger-Tugend ihren schönsten Lohn öffentlich hinnahm. Und wer kann sich auch wohl jene Rathsversammlung vorzüglich in den frühern, in der Geschichte der Stadt so schön glänzenden Jahrhunderte denken, ohne von der unbegrenzten Ehrfurcht und Hochachtung für die Männer hingerissen werden, die das Staatsruder in Friedens- und Kriegszeiten gleich ruhmvoll führten. Indessen fanden sie in dem mächtig zunehmenden Flor und Gedeihen der Stadt eine nur zu starke Aufmunterung, die ihre spätern wackern Nachfolger von Zeit zu Zeit immer mehr zu fehlen anfing. Von welchen herben Empfindungen mußte daher die Brust eines Johann von Cordelitz, Albrecht Rothe, Tilemann vom Wege, Rutcher von Birken, Tilemann von Allen XI., Matthias Grätsch, Heinrich Stroband I., Johann Preuß, u. m. a. bei dem Anblick des so tief herabgesunkenen Wohlstandes der Stadt erfüllt werden. Unstreitig von ungleich herberer als die Brust eines Reisenden beim Anblick der kaum mehr sichtbaren Trümmer Athens und der dortigen heiligen Quelle, aus der einst die Priester nur zum Dienst der Götter Wasser schöpfen durften, jetzt aber ottomanische Rosse daraus getränkt werden. Eine bloße flüchtige Ansicht des Aeußern muß schon Jedem mit der tiefsten Wehmuth erfüllen. Näherte man sich noch im Anfange des 17ten Jahrhunderts der Stadt, so fuhr man, bevor man Thorn erreichte, durch die belebtesten Vorstädte, die sich in die Tiefe fast eine halbe Meile und in die Länge auf eine Meile ausdehnten. Wählte man sich einen Standpunkt auf dem linken Weichselufer, so sah [XIII] man das entgegengesetzte Ufer in einer Meile langen Ausdehnung mit Land- und Gartenhäusern, Vorwerken und den üppigsten Weinbergen besetzt, am Ufer der 2469 3/5 Rheinländische Fuß breiten Weichsel, die Wimpel einer zahllosen Menge von abgehenden und ankommenden Schiffe wehen und in der Mitte dieser pracht vollen Ausdehnung, die Stadt, diese stolze Schöpferin, Erhalterin, und Beherrscherin alles dieses. Und dies sind nur zwei Darstellungen aus dem vormahligen Panorama Thorns. Der jetzige Prototyphus dagegen? Doch wozu den faden fortspinnen, an dem sich nur Sehnsucht und Traurigkeit reihen, da von der glänzenden Vorzeit fast alle Spur so verschwunden ist, daß es der glühendsten Phantasie unmöglich sein dürfte, aus dem schwarz gebrannten Schutt der Wirklichkeit, auch nur schwache Abrisse der Vergangenheit zu fertigen. Denn den Namen der Stadt kennt das ferne Land nur noch, wenn man von der fernen Vergangenheit redet, und sich in entflohene Jahrhunderte versetzt, da die Stadt merkwürdiger ist, durch das, was sie war und durch das was sie sein könnte, als durch das was sie jetzt ist, und man ganz willkürlich an das aus civitas Thorunium gebildete ominöse Anagramm: tu mortuis vicina - furchtbar erinnert wird.

Indessen dürft ihr, lieben Mitbürger, nicht ganz den Muth sinken lassen. Vertraut vielmehr nächst Gott, auf euren euch nach so vielen erlittenen Stürmen und Drangsalen widergeschenkten Landesvater, der euch ja schon viele Beweise seiner Vaterhuld gegeben hat, und auf keine Fälle geschehen lassen wird, daß die älteste Stadt Preußens, von der die Eroberung des deutschen Ordens ausgingen, die jetzt als ein hellglänzender Demant sein königliches Diadem schmücken, noch tiefer sinken sollte.

Der Verfasser.

Vorrede des Herausgebers.

Von vielen Seiten aufgemuntert einige der hinterlassenen Handschriften des Dr. C. G. Prätorius über die Geschichte Thorns nach und nach dem Drucke zu übergeben, lasse ich hier zuerst den Thorner Ehrentempel erscheinen. Da aber die biographischen Nachrichten nur bis zu dem Tode des Verfassers reichen, so habe ich mit möglichster Sorgfalt dieselben bis zur neuesten Zeit fortgesetzt und ergänzt.

Thorn, im Jubeljahre 1831.

Der Herausgeber.

   
zurück: Verzeichnis der erfassten Seiten.
weiter: Titelblatt 1
weiter: Titelblatt 2
weiter: Vorrede
weiter: Verzeichniß der Beförderer dieses Werkchens.
weiter: Seite 1 des Rathmännerverzeichnisses.
   

HEIM@THORN Editorial - Inhalt Die Thorner Stadtniederung - Inhalt Das Buch - Inhalt
Quellen - Inhalt Anhang - Inhalt Die Links
Thorner Ehrentempel, 1832  

© 2000  Volker J. Krüger, heim@thorn-wpr.de
letzte Aktualisierung: 11.08.2007