HEIM@THORN Editorial - Inhalt Die Thorner Stadtniederung - Inhalt Das Buch - Inhalt
Quelltexte - Inhalt Anhang - Inhalt Die Links Mein Thorn 


Albrecht Duwe

200 Jahre Evangelischer Friedhof in Kulmisch-Damerau


Essen 2000



Diese Seite ist ein Dokument mit einem Kapitel Text Bericht auf 8 DINA4-Seiten mit Bildern
 


Die Zahl in blauer eckiger Klammer, z.B.: [23], bezeichnet in diesem Dokument immer den jeweiligen Seitenanfang im Original.

[1] Den Ort findet man unter dem Namen Dombrowken auf der "Schroetterschen Karte von Preußen" (Landesaufnahme zwischen 1796 und 1802) im Fordoner Weichselbogen am Wege zwischen Ostrometzko und Unislaw. In meinem Buch "Damerau" mit dem Untertitel "Schicksal von Land und Leuten durch die Zeiten" ist er beschrieben.

Um das Jahr 1780 sind in Dombrowken 9 Kolonisten-Familien angesiedelt worden. Evangelische Wuerttemberger waren es, unter ihnen Böttinger, Fuchs, Heilemann, Meyer. Sie wurden erst einmal bei den polnischen Familien untergebracht und werden sich in deren Scheunen eingerichtet haben. Unterdessen wurde an ihren Gehöften gebaut. 1000 Taler kostete die Regierung die Vollbauernstelle mit zwei Hufen. So heißt es in dem Buch.

Während die polnischen Nachbarn - alle katholisch - ihre Toten bei der nahegelegenen Boluminer Kirche zu Grabe trugen, mussten unsere Württemberger erst einen Friedhof anlegen. Eine leichte Erhebung nördlich der Dorfstraße bot sich hierfür an. Während auf dem Friedhof bei der Boluminer Kirche, die 1445 erstmals erwähnt ist, seit vielen Generationen die Toten Dameraus ruhten, erschienen um 1800 auf dem neu abgesteckten Platz erste Grabhügel der Zugezogenen. Die Württemberger hielten zusammen, heißt es weiter, und heirateten meist untereinander, auch nach anderen Plätzen im Kulmerland, wo ihre Landsleute auf gutem Boden saßen.

Durch Einheirat erschienen weitere Württemberger in Damerau, z.B. Biswanger, Düsterwald, Fiessel. Das Dorf aber wurde ein "preußisches" mit polnischen Leuten, mit norddeutschen (Koch, Glaser, Lehrke, Wendt), die plattdeutsch sprachen, und mit Altsiediern der Weichselniederung (Pansegrau, Fehlauer, Krüger, Duwe), die seit dem 17. Jahrhundert dort das Marschland bewirtschafteten und ebenfalls platt sprachen.

Sie werden sich verstanden haben, denn in den Taufeintragungen, die die katholische Kirche bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts auch für die Lutheraner führte, stehen durchweg Mitglieder aller Gruppen als Paten neben- und untereinander eingetragen.

Im Laufe des neuen Jahrhunderts wuchs Damerau zu einem blühenden Dorf heran, die um 1860 befestigte Dorf- bzw. Landstraße dicht bebaut, stattliche Höfe darunter, ein großer Baubetrieb, Mahl- und Schneidemühlen, Handwerksbetriebe. Gegen 1900 schon Post- und Bahngebäude, kurz danach (1909) eine schöne Kirche - und die Württemberger waren inzwischen mit allen lutherischen Familien verschwägert(!).

[2] Um diese Zeit spielte die Familie Fiessel eine bedeutende Rolle. Da hatte um 1860 anläßlich des Gräflichen Kirchenbaus im benachbarten Orstrometzko der junge Bauhandwerker Friedrich Fiessel beim Tanz in Damerau seine Braut gefunden, eine Bettinger. Beide waren sie Württemberger Nachkommen, sparsam und strebsam. Mit Kindern gesegnet, blühte die Familie gleichsam zusammen mit dem Dorf heran. Alle größeren Betriebe wurden durch Fiessels gegründet, die meisen Bauten, auch die staatlichen der ganzen Gegend durch Fiessels errichtet.

Noch nicht erwähnt ist ein Name, der in den Annalen des Dorfes im Jahr 1841 erscheint. Da bezog die Familie Eduard Schön den hochgelegenen Schulzenhof auf der Südseite der Dorfstraße. Schön entstammte einer Familie Ungarndeutscher Lutheraner, die während des 30jährigen Krieges nach Schlesien geflüchtet und in Fraustadt ansässig geworden war. Auf dem dortigen evangelischen Friedhof ist das Grabmal seines Vorfahren, des Diakons Michael Schön († 1703) erhalten.

Um 1800 ist E. Schön als junger Mann an die Weichsel gezogen und hat in der Schwetzer Niederung eine Familie gegründet, um bald danach in Damerau den alten Schulzenhof und das Amt zu übernehmen.

An den Maßnahmen der Culmer Landräte als Schiedsmann und Kreistaxator eingesetzt, hat er seinen Beitrag zur Entwicklung des Dorfes geleistet und ruht seit 1876 auf dessen Friedhof. Ein schmiedeeisernes Gitter umfriedete die Grabstelle des Paares.

1869 übernahm ein junger Lehrer den Schuldienst in Damerau: Heinrich Schwantes. Der hat sich gleich des Friedhofes angenommen und mit seinen Schulkindern viele Bäumchen gepflanzt, Fichten am Zaun entlang, Birken am Querweg gegen Westen. Den Weg vom Tor zur Mitte faßte er mit Heckenbuchen ein. Der Zaun bestand aus drei Reihen starker Bohlen, in deren Fugen Trittbretter zum Obersteigen eingeschoben waren. Er endete beiderseits eines Eisentors - mit der eingearbeiteten Oberschrift "Eingang zur Ruhe". Das Tor wurde nur zum Begräbnis geöffnet. Zur Grabpflege stiegen Jung und Alt über den Zaun. Einfaches Leben dort und einem "Heidedorf in Wald und Sand" angemessen. Ein aus der Erinnerung gefertigter Friedhofsplan bietet Orientierung. Alle genannten Familien finden sich dort wieder. Heinrich Schwantes ist alt geworden. Den von vielen Generationen Damerauer Schulkinder Verehrten hat man 1914 auf unserem Friedhof zu Grabe getragen. Er ruht neben seiner Ehefrau zu Füßen "seiner" Buchenhecke westlich des Hauptweges.

Zwei Jahre danach gab es die stille Beisetzung eines Selbstmörders: Karl Pillasch (1845-1916). Dessen Großvater, aus dem Marienburger Raum gebürtig, hatte im Jahre 1808 in den Heilemannschen Hof am Westende Dameraus eingeheiratet und sein tüchtiger Sohn Johann (1812-1896), Karls Vater, diesen Betrieb während seines langen Lebens ausbauen und zum größten des Dorfes erweitern können. Durch den Bahnbau ist er dann auch wohlhabend geworden und galt schon als Gutsbesitzer mit 56 ha Wald und 90 ha Ackerland. Viele Angehörige der Familie [3] ruhen auf dem Damerauer Friedhof, manche früh gestorben. Ihre Grabstelle liegt ganz im Nordosten bei einem inzwischen mächtigen Ahornbaum, dort, wo auch die Angehörigen der kleineren Wirte ruhen, z.B. Großmann oder Breitzmann, die ihre Betriebe auf der ehemaligen Hütung eingerichtet und die leichten Stellen im Boden mit der Lehmkarre verbessert haben.

Da Karl Pillasch unverheiratet geblieben war und sein Bruder Fritz (Amtsrichter in Süddeutschland) verstorben war, ging der Betrieb an Friedrich Duwe, der aus der Thorner Niederung stammte und eine Enkelin des Eduard Schön zur Frau hatte. Im April des Jahres 1870 wurde der Kirchenälteste Karl Fuchs zu Grabe getragen. Er hinterließ seine Frau, eine Tochter des Eduard Schön, mit sieben unmündigen Kindern. Seine Ruhestätte erhielt wie weitere Gräber der Familie ein hohes, gußeisernes Kreuz. Seitdem bildeten die Fuchsschen Kreuze einen Blick- und Orientierungspunkt auf dem Friedhof.

Im Jahre 1920 verlor der Sägewerksbesitzer Emil Fiessel, ein Sohn des um 1860 genannten Bauhandwerkers seine Frau, eine geborene Biswanger, durch frühen Tod. Sie erhielt ein stattliches Grabmal nebst Epitaph, das schönste auf dem Westfeld. Ihr jüngerer Sohn, Emil, der einst das Werk übernehmen sollte, starb ebenfalls früh (1938) und wurde zu ihren Füßen in einer Gruft beigesetzt.

Im Jahr darauf brach der zweite Weltkrieg aus. Die ersten Toten dieses Krieges waren Deutsche, von verhetzten Polen ermordet. So der Damerauer Erich Renz, der auf dem Internierungsmarsch zusammengebrochen und durch Genickschuß getötet worden war. Ihm wurde ein Ehrengrab nahe der Gruft des Emil Fiessel jun. bereitet.

1942 bekam das Gräberfeld der Familie Fehlauer Zugang. Da war der letzte der Familie, Dr. Kurt Fehlauer, betagt aus Berlin in das heimatliche Dorf zurückgekehrt, um bald darauf zu sterben. An seinen "geliebten Hofeichen von 1813" vorbei wurde er zum Friedhof geleitet und feierlich beigesetzt.

Am 21. Januar 1945 brachen die Deutschen auf, um sich gen Westen zu retten. Wenige Alte blieben zurück oder solche, die meinten, ihnen würde niemand etwas tun.

Nochmal aus dem Buch "Damerau":

Am 19. Januar 1945 kam der Treckbefehl. Sorgenvolles Rüsten. Aufbruch am 21. Januar. Der Treck, ursprünglich über Ostrometzko und die Fordoner Brücke geplant, wurde wegen der Feindlage kurzfristig umgeleitet und zog auf der Scharneser Chaussee nordwärts der Weichselniederung zu. Bald danach erschien Witwe Radomski aus Ostrometzko, eine geborene Heilemann, im Dorf und fragte nach den Schwesterkindern, die hätten sie doch unterwegs aufnehmen wollen und wären nicht gekommen. Sie war 82 und bei minus 20° von dort heraufgekommen, richtete sich nun wohl oder übel im verlassenen Gehöft Fisch ein. Dort war sie geboren.

[4] Am 25. Januar war der Russe im Dorf. Später fand man sie halb bekleidet und erfroren auf einem Heilemannschen Grab (offenbar vergewaltigt und über den Hof zum dahinter liegenden Friedhof geflüchtet).

Ende Februar übernahmen die Polen das Regiment und schoben die zurückgebliebenen Deutschen nach Thorn ab. Sie wurden zurückgeschickt, 7 km von Unislaw nach Damerau zu Fuß. "Der Kommissionsrat (ehemaliger Bauunternehmer Fritz Fiesel (81), ein Bruder des Sägewerksbesitzers),. hat dagestanden mit verschmiertem Gesicht, der Kopf zwischen die Schultern gerutscht. Er starb als erster (Mai 1945). Mein Mann und der Podlasinski haben ihn mit der Trage zum Friedhof gebracht. Mein Mann konnte ihn nicht einfach so reinschmeißen. Das tat dann fluchend der Pole. Wie er lag lag er und mein Mann hat zugeschaufelt."

Im Laufe des Jahres ist neben anderen auch seine Frau auf ähnliche Weise dort beerdigt worden. Niemand kennt ihre Grabstellen.

20 Jahre später (um 1965) gelang ein erster Besuch unseres Friedhofes. Verwüstet lag er, die Grabsteine umgestoßen, die Tafeln zerschlagen, gußeiserne Grabmale und das Friedhofstor geplündert, jede Spur deutscher Vergangenheit gelöscht, einige Gräber geöffnet. Ein Drahtzaun an Betonpfählen umgab ihn nun als Versuch des Boluminer Pfarrers, weitere Barbarei fernzuhalten.

Um die Zeit konnte auch wieder Verbindung zu zwei eingesessenen Familien (Hanelt und Jarozki) aufgenommen werden, die ihre Gräber auf dem Boluminer Friedhof pflegten und gelegentlich auch den Damerauer besuchten. "An Totensonntag denken wir immer, haben zum Gedenken an Ihre Landsleute und Verwandten ein Blümchen niedergelegt."

Beide Familien hatten Mordopfer von deutscher Hand zu beklagen. Sie verallgemeinerten nicht, sie vereinfachten nicht.

Nach der großen Wende wächst in Polen die Bereitschaft zum Austausch bzw. zur Verständigung und die dortigen Heimatforscher haben das Buch "Damerau" für sich entdeckt.

Ihnen gefällt dessen versöhnlicher Ton, besonders die um Redlichkeit bemühte Betrachtungsweise, ihnen gefällt der Untertitel "Schicksal von Land und Leuten durch die Zeiten". Auf die Weise wurde ich mit Dr. Raszeja bekannt, einem Juristen im Ruhestand, der in Ostrometzko geboren ist und in Bromberg lebt. Er plant die Übersetzung meines Buches ins Polnische und zeigte auch Verständnis für meine Sorgen um die Erhaltung des Damerauer Friedhofes. Inzwischen hat er Verbindung mit dem zuständigen polnisch-lutherischen Pfarrer Loskot aus Bromberg hergestellt. Das war ein wichtiger Schritt auf dem Wege zur Durchführung meines Planes, ein Denkmal zu errichten, das an die deutsche Zeit, an unsere dort Ruhenden erinnert.

[5] Am 6. Juli 99 fand eine Begehung des Friedhofes statt. Mein Enkel und sein Freund hatten mich die 1000 km zum Quartier in Ostrometzko gebracht. Die Teilnehmer dann in Damerau-. 1. Pfarrer Loskot, 2. Dr. Raszeja, 3. ein Abgeordneter des Gemeindeamtes, 4. wir drei.

Wir fanden den Friedhof verwildert und zugewachsen, auf den freien Flächen vereinzelte Grabeinfassungen aus Kunststein, von Unkraut und angesamten Bäumchen überwuchert. Wir trafen auch auf Hinterlassenschaften einer Kuh. An den ehemaligen Schutzzaun erinnerten wenige im Gestrüpp liegende Betonpfähle. Andrerseits bot sich eine gute Perspektive dadurch, daß sich in der langen Zeit aus den Heckenbuchen des Hauptweges Bäume entwickelt hatten. Die bildeten nun eine Allee, an deren Ende das geplante Denkmal stehen könnte. Mein vorbereiteter Entwurf, ein Pyramidenstumpf aus Granitmauerwerk mit einer eingelassenen Tafel und einem aufgesetzten Kreuz aus Edelstahl wurde akzeptiert. Von einem Vorschlag, den Friedhof bis auf eine Baumgruppe total zu räumen, wurde abgeraten. Die alten Bäume dort sollten erhalten bleiben.

Einen Steinmetzbetrieb fanden wir am Ort. Der war auf dem ehemaligen Fehlauerschen Hof eingerichtet - unter einer Eiche von 1813, die der letzte Eigentümer so geliebt hatte und die nun einen Stammdurchmesser von einem Meter aufwies.

Der Meister, ein Neubürger, war bereit, den Auftrag zu übernehmen, wir sollten mal bald das Kreuz anliefern. Er würde auch D-Mark akzeptieren.

Ein Apell an meine Kulmer Landsleute erbrachte die erforderlichen Mittel, und so konnte ich bei einem neuerlichen Termin (Oktober 99) in Damerau Herrn Matyjaszczyk - so heißt unser Meister - den Auftrag erteilen und mit ihm die Stelle für das Bauwerk abstecken. Welch erfreuliche Perspektive! Man würde eine Allee entlang auf das Denkmal mit der Tafel zugehen.

Zugleich übergab ich ihm das in Essen angefertigte Kreuz, dazu die Bauzeichnung und den Entwurf für die Beschriftung der Tafel. Er erhielt auch eine größere Anzahlung als Zeichen des Vertrauens. Er würde es nicht mißbrauchen. Er übernahm es auch, störenden Strauchbestand zu räumen und die Grabstellen freizulegen. Es würde schon nicht zu teuer werden.

Ein halbes Jahr hatten wir noch Zeit für die Durchführung des Vorhabens, denn es war schon ein Termin für die Einweihung verabredet. Das war der 4. Mai 2000 kurz nach dem "Kulmer Treffen in Nienburg". Unser Heimatkreisvertreter Horand Henatsch plante im Anschluß an das Treffen eine Busfahrt nach Polen, um mit der Reisegesellschaft am Damerauer Ereignis teilnehmen zu können.

[6] Für mich begann ein halbes Jahr der Sorge und der Unsicherheit. Es blieben die schriftlichen Zusagen der Behörden aus, und mein Gewährsmann, Dr. Raszeja meldete sich nach schwerer Operation lange nicht. Wegen der großen Entfernung konnte ich die Baustelle nicht überwachen, dabei sollte auch noch eine Urkunde gestaltet und in das Denkmal eingebaut werden. Auch machte mir die Organisation des Festes (vorwiegend in polnisch) zu schaffen, denn ich spreche es akzent- aber nicht fehlerfrei.

Lichtblick war mir ein Brief des Katholischen Geistlichen aus Ostrometzko, der mein Vorhaben lobte und am Fest teilzunehmen versprach.

Inzwischen war unser Mann in Damerau an der Arbeit. Es ginge alles nach Wunsch voran, schrieb er im November. Ein Foto dabei mit axtbewehrten Männern und mit Karren vor einer Halde mit Strauchwerk.

Im Februar meldete er die Tafel fertiggestellt. Wie sie aussehen würde, blieb mir vorerst verschlossen. Ein Foto zeigte drei Männer bei der Arbeit am Fundament. Er würde das Denkmal solide armiert und das Kreuz gut verankert errichten, schrieb er, die Leute im Dorf wären schon neugierig und es herrschte "zustimmendes Aufsehen".

Am 7. April meldete er das Denkmal fertig. Das Interesse im Dorf sei "gewaltig", allen gefiele es. Er hoffe, es würde auch mir gefallen. Ein Foto dabei. Es gefiel mir in der Tat, und ich war erleichtert.

Endlich liefen auch wichtige Zusagen ein. Dr. Raszeja würde kommen - mit Gattin, der Kulmer Museumsdirektor Kaldowski desgleichen. Buergermeister Gladyszewski aus Rehden versprach es für sich, seine Frau und den Sohn. Mit ihnen bin ich wegen gemeinsamen Interesses an der dortigen Burg längst befreundet. Herr Maslanka, der Pfleger jener Burg, würde krankheitshalber nicht teilnehmen können. Der Damerauer Amtsvorsteher hat mir sagen lassen, er würde sich "die Ehre geben". Vom Boluminer Pfarrer keine Antwort.

Der Tag rückte heran. Wir reisten diesmal zu fünft und zwar rechtzeitig, denn es war vor dem Fest die "Abnahme" des Bauwerkes zu bewerkstelligen, auch war zu prüfen, ob für den Ablauf alles bereit sei. Zum Ablauf gehörte auch eine angekündigte Bewirtung in Ostrometzko, denn in Damerau fehlte dafür die Voraussetzung.

Am Vortage erwartete uns auf dem Friedhof der Steinmetzmeister - mit Gefolge. Um ihn herum standen seine Helfer und Frau Eva Wigienka, die Lieferantin des Blumenschmucks, mit ihrer ganzen Familie. Einige weitere Beflissene dabei. Wir waren ihnen interessant, und wir spürten es, willkommen.

Einen der Helfer (etwa vierzig Jahre alt), mit Schnauzbart, wie ihn viele Polen tragen, erkannte ich wieder. Der hatte mich anläßlich meines Besuches vom Vorjahr auf dem Friedhof angesprochen. Betrunken hatte er auf mich eingeredet. Ich hatte ihn nicht verstanden, doch war seine Geste des Genickschusses unmißverständlich gewesen. Jetzt begrüßten wir uns mit freundlichem Händedruck. Das gemeinsame Vorhaben hatte ihn wohl eines besseren belehrt.

[7] Dann gingen wir unsere Allee entlang und auf den Obelisken zu, um das Kunstwerk zu prüfen. Meister Matyjaszczyk hatte gute Arbeit geleistet. Der Friedhof erschien licht und überschaubar. Allerdings wurden dadurch geplünderte Grabstellen hervorgehoben. Frau Wigienka übernahm es für das morgige Fest, einige leuchtende Sträuße an jenen Stellen aufzustecken, als kleine Mahnmale gewissermaßen.

Am denkwürdigen 4. Mai erwarteten wir am westlichen Dorfeingang den Reisebus aus Deutschland, um dort bei dem großen Ehrenmal der polnischen Märtyrer von 1939 zu gedenken. Wir wußten, daß das sehr beachtet würde, und so war es nicht verwunderlich, daß sich fast alle polnischen Teilnehmer unseres Festes an dieser Stelle zu uns gesellten. Darauf strömten Menschen und Fahrzeuge dorfeinwärts bis zu dem Abwege der zum Friedhof führte. Dort, auf einem Stück Brachland, konnten die Fahrzeuge geparkt werden. Der "Schnauzbart" übernahm beflissen die Wache.

Darauf sah man eine Menschenschlange unserem Friedhof bzw. dem neuen Denkmal zustreben. Dort fanden sich mehr als hundert Teilnehmer ein, unter ihnen meine polnischen Freunde aus Bromberg, Kulm und Rehden. Zu meiner Freude erschien auch der für Damerau zuständige Boluminer Pfarrer. Er würde, so hoffte ich, unser Anliegen künftig im Auge behalten. Vom Gemeindeamt erschien niemand.

Bei der Begrüßung verlas ich den Text einer Urkunde, die sich im Inneren des Obelisken befindet. Darin heißt es in polnisch und deutsch:

"Nach Zeiten des Hasses und der Barbarei greifen Verständigung und freundlicher Austausch um sich.
Angesichts dessen errichteten Nachkommen der auf diesem Friedhof ruhenden Geschlechter ein Denkmal.
Sie danken den kirchlichen und weltlichen Behörden für die Genehmigung und dem Steinmetzen für sein kunstvolles Werk.
Sie wünschen diesem Lande Frieden und Wohlstand allezeit."

Der stattliche Pfarrer Loskot im Habit des evangelischen Pastors hielt Andacht und Weihe in polnisch. Mein Landsmann Adolf Fiebig übersetzte für die Deutschen, und es fand etwas statt, was vor wenigen Jahren noch undenkbar gewesen war: Polen und Deutsche aus dem historischen Kulmerland standen einträchtig zusammen, beteten und sangen zum Gedenken der auf diesem Friedhof ruhenden Deutschen. Horand Henatsch stimmte den Choral "Lobet den Herren" an, Direktor Kaldowski einen Gregorianischen Wechselgesang - er mit wunderschöner Stimme. Viele Sträuße wurden niedergelegt. Die polnischen Damen zündeten Gedenkkerzen an und stellten sie am Fuße des Obelisken ab. Damit fand eine würdige und bewegende Feier ihren Abschluß.

[8] Wenig später traf sich die Gesellschaft im Ostrometzkoer Waldgasthof zur Bewirtung wieder und nahm in bunter Reihe an langen Tischen Platz. Wenige waren in Damerau zurückgeblieben, auch vermißte ich die katholischen Geistlichen. Deren Verabschiedung ist wohl im Durcheinander des Aufbruchs untergegangen. Vom "Gefolge" unseres Steinmetzen fehlte niemand. Er selbst war mir den Tag über nicht von der Seite gewichen. Er würde zu klären versuchen, weshalb vom Gemeindeamt niemand an unserem Fest teilgenommen hat. "Er würde sich die Ehre geben" hatte der Gemeindevorsteher mir sagen lassen. Vielleicht war das zynisch gemeint? Es gibt schon noch Unversöhnliche.

Eine Ansprache hatte ich vorbereitet (in polnisch, den Inhalt in deutsch trug die Tochter vor): Neben einigen interessanten Daten zum Schicksal unseres Dorfes war die Freude über diese schöne Begegnung zwischen Polen und Deutschen das Thema. Viel Dankbarkeit, daß sie möglich wurde, viel Hoffnung, daß dieses Ereignis in die Zukunft wirken möge.

Horand Henatsch äußerte sich ähnlich und Direktor Kaldowski erwiderte in bestem deutsch. Dann kam der Abschied, denn der Bus mußte weiter: Viele gute Wünsche, viel freundliches Schulterklopfen. Man würde das schöne Fest nicht vergessen, man würde mein Anliegen nicht vergessen: Die Erhaltung des inzwischen 200 Jahre alten Damerauer Friedhofes.

PS: Brief vom 29.06.00: Der Damerauer Amtsvorsteher entschuldigt glaubhaft sein Fernbleiben. Für weitere Verständigung und Aussöhnung müßten Fundamente gesetzt werden. Meine Aktion auf dem Damerauer Friedhof wäre ein solches. Ich möge ihn doch nächstesmal in seinem Amt besuchen.

Duwe 20.07.2000




Das Denkmal









Blumen-Gabe









Einweihungsrunde









Ansprache Duwe









Predigt









 
weiter: Duwe, Albrecht: Essen im November 2000    [Arheiligenbesuch in Damerau]
   

HEIM@THORN Editorial - Inhalt Die Thorner Stadtniederung - Inhalt Das Buch - Inhalt
Quelltexte - Inhalt Anhang - Inhalt Die Links Mein Thorn 

© 2000   Volker J. Krüger, heim@thorn-www.de
letzte Aktualisierung: 04.09.2004