Horst Ernst Krüger:Die Geschichte einer ganz normalen Familie aus Altthorn in Westpreussen kommentiert und um Quellen ergänzt von Volker Joachim Krüger |
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Ehrentempel in Worten für die Frauen der Familie |
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Die Zahl in blauer eckiger Klammer [23] bezeichnet in diesem Dokument immer den jeweiligen Seitenanfang in der Originalausgabe, die dem Herausgeber vorliegt. Hinter dem eröffnen sich genealogische Zusammenhänge in Bezug auf die betreffende Person. Falls Sie sich den Originaltext, um den es an der so bezeichneten Stelle geht, ansehen wollen, so werden Sie hier fündig. Mit diesem Zeichen weist der Herausgeber dieses Dokuments auf Bemerkenswertes hin und mit diesem Zeichen macht er auf Fragen aufmerksam, die sich ihm zu dem jeweiligen Text gestellt haben. Hier erwartet Sie ein Schwarz-Weiss-Foto und hier eine solches in Farbe. Und falls Sie mehr über die so gekennzeichnete Person erfahren wollen, finden Sie hier eine Kuzbiographie. |
[221] Meine Familie, soweit sie sich in Bokel zusammengefunden hatte, war in einem Garten versammelt, in dem die Obstbäume junge Früchte angesetzt hatten und viele Sommerblumen blühten. Das kleine Landhaus, in dem meine Mutter, Ursula mit Rüdiger und Horst, der hier in den letzten Tagen des Krieges geboren worden war, Edith mit Sybille und Renate, Zuflucht gefunden hatten, gehörte der Familie Terjunk. Als sich die Nachricht von meiner Ankunft verbreitete, kamen zehn Frauen und Kinder auf mich zugerannt. Es berührte mich zutiefst, als ich auch von Frau Terjunk und ihrer Schwester, der Tante Mimi, herzlich empfangen wurde. Die fünf Frauen, denen ich als einziger Mann am schnell gedeckten Kaffeetisch gegenübersaß, strahlten vor Freude über meine Rückkehr. "Woher kommst Du? Wie ist es Dir ergangen? Erzähle, erzähle." Ich fürchtete, sie würden einen Helden erwarten, der ihnen von seinen großen Taten berichtet. Vor ihnen saß jemand, den seine Erlebnisse und seine Erfahrungen betäubt hatten, der innerlich leer war, der in einer Sinnkrise steckte. Es dauerte Wochen und Monate, bis sich bei mir die innere Verkrampfung unter dem Einfluß der liebevollen Gastgeberinnen und der fröhlichen Atmosphäre ihres Hauses zu lösen begann. Die erste, die von ihrer Flucht erzählte, war Edith. Meine Mutter und meine Schwester Ursula, die zusammen in den Westen geflohen waren, brachten vorerst von ihren Erlebnissen kein Wort über die Lippen. Sie erzählten, daß Werner und Ilse mit ihren zwei Töchtern Karin und Astrid, Hans-Joachim und Ursula mit ihren zwei Söhnen Volker und Dietger den Krieg überlebt hätten und in Goddelau bei Darmstadt und in Vechelde bei Braunschweig seien. Die Männer meiner Familie, die den Krieg überlebt hatten, waren aus amerikanischer oder englischer Gefangenschaft entlassen worden. Wir brauchten die Strapazen der Flucht und Vertreibung aus Ostdeutschland nicht auf uns zu nehmen. Wie sich die Frauen und Kinder meiner Familie nach Westdeutschland durchgeschlagen und wie sie [222] hier neu begonnen hatten, das ist einen Ehrentempel in Worten wert, wie Prätorius ihn für die ersten Generationen meiner Familie im Osten errichtet hat. Meiner Bitte, selbst ihre Erlebnisse zu schildern, kamen die Frauen nur zögernd nach. |
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letzte Aktualisierung: 30.07.2004