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Horst Ernst Krüger:


Die Geschichte einer ganz normalen
Familie aus Altthorn in Westpreussen


kommentiert und um Quellen ergänzt von Volker Joachim Krüger


Diese Seite ist ein Dokument mit einem Kapitel Text

Ursula erinnert sich

 

Die Zahl in blauer eckiger Klammer [23] bezeichnet in diesem Dokument immer den jeweiligen Seitenanfang in der Originalausgabe, die dem Herausgeber vorliegt.

Hinter dem eröffnen sich genealogische Zusammenhänge in Bezug auf die betreffende Person.

Falls Sie sich den Originaltext, um den es an der so bezeichneten Stelle geht, ansehen wollen, so werden Sie hier fündig.

Mit diesem Zeichen weist der Herausgeber dieses Dokuments auf Bemerkenswertes hin und

mit diesem Zeichen macht er auf Fragen aufmerksam, die sich ihm zu dem jeweiligen Text gestellt haben.

Hier erwartet Sie ein Schwarz-Weiss-Foto und hier eine solches in Farbe.

Und falls Sie mehr über die soKurzbiographie gekennzeichnete Person erfahren wollen, finden Sie hier eine Kuzbiographie.

"Ab dreiundvierzig, oder es kann auch erst ab vierundvierzig gewesen sein, wurde das friedliche Leben auf Großputz durch Partisanentätigkeit in zunehmendem Maße gestört. Joachim wurde immer häufiger zu deren Bekämpfung herangezogen. Wenn ich mit ihm zu den Schwiegereltern nach Bendomin gefahren war, konnte man abends und nachts bei der Rückfahrt rund herum Lagerfeuer der Partisanen sehen. Joachim sagte mir einmal, das seien auch Leuchtzeichen, mit denen sich die einzelnen Gruppen verständigten. Wenn ein Gebiet durchgekämmt wurde, sei er oft auf geräumte Lager und leere, gut getarnte Erdlöcher gestoßen. Die Partisanentätigkeit verbreitete ein wachsendes Gefühl der Unsicherheit in der Bevölkerung. Eines Morgens kam der polnische Verwalter zu mir und berichtete, daß in der Nacht einige Partisanen über das Eis des Sees gekommen und auf den Balkon des Hauses geklettert seien. Sie wollten die Jagdgewehre stehlen, die im Hause waren. Als die Hunde anschlugen, wären sie wieder verschwunden gewesen."

"Es wurde"; erzählte Ursula weiter, "immer schwieriger, sich der Partisanen zu erwehren. Ein Gut in der Nähe von Berent überfielen sie eines Nachts und verlangten von dem Besitzer, er solle seine Waffen ausliefern. Als er sich weigerte, erschossen sie ihn. Die Partisanen rekrutierten sich von denjenigen, die sich nicht zur Wehrmacht einziehen lassen wollten. Ich weiß nicht, ob Du Dich noch daran erinnerst, daß alle Kaschuben und Polen, die sich in den berüchtigten Volksgruppenlisten eintragen ließen, zur Wehrmacht einberufen wurden. Trotz alledem war die Zeit in Großputz die glücklichste in meinem Leben. Dazu hatte das herzliche Verhältnis zur Familie Dahlweid beigetragen. Die Einstellung von Joachims Vater zu mir wandelte sich, als Rüdiger geboren [189] wurde. Er stand in der Klinik an dessen Bettchen und betrachtete nachdenklich seinen Enkel. Dabei sah ich, wie ihm vor Freude Tränen über die Wangen liefen. Rüdiger ist sein erster Enkel und Namensträger der Dahlweids. Die Schwierigkeiten und Spannungen, die es vor unserer Heirat gab, waren vergessen.

Joachim liebte seine Mutter sehr. Auch ich habe dieser warmherzigen Frau die gleichen Gefühle entgegengebracht. Sie hatte ein feines Gespür für meine nicht ganz leichte Stellung in der Familie, in der Nachbarschaft und setzte sich stets für mich ein, wenn es ihr notwendig zu sein schien. Typisch für ihr Verhalten war ein Vorfall, den ich in meinem Leben nicht vergessen werde. Die sehr attraktive Ehefrau eines Gutsnachbarn hatte bei einem Fest mit Joachim handfest geflirtet. Das sah Muttchen", wie Ursula ihre Schwiegermutter nannte. "Daraufhin war sie zu der erotisch anziehenden Dame gefahren und sagte ihr, sie solle die Hände von Joachim lassen. Muttchen war stets eine vermittelnde, ausgleichende und liebevolle Frau, die sich über alle gesellschaftlichen Vorurteile hinwegsetzte. Sie starb noch in der Zeit, als Joachim und ich in Großputz waren, Diese freie, einfühlsame Frau hinterließ eine Lücke in der Familie Dahlweid, die sich nie geschlossen hatte. Joachim wurde im Dezember vierundvierzig zur Waffen-SS eingezogen und nach kurzer Ausbildung an der schnell vorrückenden Ostfront in Ungarn eingesetzt. Hier ist er mit seiner gesamten Einheit verschollen."


 
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© 2000  Volker J. Krüger, heim@thorn-wpr.de
letzte Aktualisierung: 30.07.2004