HEIM@THORN Editorial - Inhalt Die Thorner Stadtniederung - Inhalt Das Buch - Inhalt
Quelltexte - Inhalt Anhang - Inhalt Die Links Mein Thorn
Thorn im 13. Jahrhundert - Inhalt 


Rathausturm mit Copernicusdenkmal

Arthur Semrau

Thorn im 13. Jahrhundert



Mitteilungen des Coppernicus-Vereins für Wissenschaft u. Kunst zu Thorn 38. Heft, S. 1ff
Zur Erinnerung an das 700 jährige Bestehen der Stadt Thorn im Jahre 1931
Thorn 1930

Diese Seite ist ein Dokument mit einem Kapitel Text

I.  Die Gründung der Stadt


Die Zahl in blauer eckiger Klammer, z.B.: [23], bezeichnet in diesem Dokument immer den jeweiligen Seitenanfang im Original.

[1] Als Stützpunkt für den Kampf gegen die Preußen schenkte der Herzog Konrad von Masowien dem Deutschen Orden 1230 die Burg Nissue (Nessau) mit den 4 Dörfern Ozchotino, Nissue, Nissueca und Occola1). Maercker sieht die Sache so an, als ob Hermann Balk die Burg Nessau gegründet und darauf vom Herzog Konrad als Geschenk erhalten habe2). Nach der ganzen Sachlage ist vielmehr sicher, daß an derselben Stelle, an der der Orden seine Burg errichtete, schon vordem eine hölzerne Burg stand. Die Lage gegen den Strom und innerhalb des Niederungsgeländes entspricht durchaus der slawischen Sitte in der Anlage der Burgwälle. Die Burg Nessau mit den 4 Dörfern bildete vermutlich schon in polnischer Zeit ein eigenes Verwaltungsgebiet.

Von hier aus erfolgte dann im Frühjahr 1231 der Obergang Balks über die Weichsel. Die Ordensritter fuhren wahrscheinlich stromabwärts und landeten etwa gegenüber dem heutigen Niedermühl auf dem rechten Weichselufer. In dieser Gegend lag wohl die Fähre, die in jener Zeit die Verbindung zwischen beiden Ufern herstellte, Die Niederung des Grünen Fließes war schon in der Steinzeit das Einfallstor gewesen, durch das die Germanen in das Kulmerland eindrangen, um sich hier an dem Nordrande des ehemaligen diluvialen Stausees niederzulassen3). In der Burgwallzeit aber führte hier ein Handelsweg über die Weichsel, der zuerst seine Richtung auf Birglau nahm, dann etwa bei Unislaw das große Weichselbecken erreichte und von hier aus längs des Höhenrandes nach Kulm verlief. Es ist also nicht zufällig, daß in dem an diesem [2] Handelswege liegenden Dorfe Birglau der große Münzfund gemacht wurde, der etwa aus der Zeit nach 1039 n. Chr. stammt1).

Nach einer alten Überlieferung legten die Ordensritter auf dem rechten Weichselufer bei einem Eichbaume die erste Befestigung an2). Auf dem Gursker Kirchhügel, einer wahrscheinlich diluvialen Bodenerhebung in der Niederung auf der nach Heises Vermutung vor dem Bau der Gursker Kirche die Kirche von Altthorn gestanden hat3), dürfte sich vordem eine slawische Burg Torun befunden haben, nach der die Ordensritter die neue Siedlung Torun benannten. Die ehemalige Ordensburg lag ungefähr. 1 km von der Gursker Kirche entfernt. In dem Vertrage von Lonyz von 1222 wird ein Dorf Tarnowo zusammen mit Papowo genannt, allerdings nur in einer Handschrift, die andere hat Carnowo4). Einige Forscher setzen Tarnowo dem Orte Torun gleich5), wogegen die Verschiedenheit der Namensformen und die Unsicherheit der Überlieferung spricht.

In der Erklärung des Namens Torun geht Kujot von der nicht überlieferten Form Toron aus, die er aus nicht zwingenden Gründen für die ursprüngliche hält, und bringt diesen Namen mit toron in Zusammenhang, das im Masowischen einst einen jungen Bären bezeichnete6). Ansprechender scheint uns Muckes Erklärung. Er geht von der Tatsache aus, daß auch in Sachsen ein Kastell Thorun in einer Urkunde von 1206 erwähnt wird, und erklärt Thorun als eine von dem Hauptworte tor - gebahnter Weg abgeleitete adjektivische Bildung, zu der gród - Burg zu ergänzen sei. Torun bedeute also einen befestigten Platz an einem gebahnten Wege7). Das würde gut zu unserer Ansicht passen, daß in dieser Gegend in der Burgwallzeit die Handelsstraße nach Kulm ihren Anfang nahm.

Die Frage, ob die Stadt ursprünglich an der Stelle des Dorfes Altthorn gestanden hat und erst später an seine heutige Stelle verlegt worden ist, wie die alte Überlieferung behauptet, ist von den Forschern verschieden beantwortet worden8). Daß die Ansiedler sich zunächst bei Altthorn niederließen, war durch die Lage der Dinge geboten. Die Frage ist also genauer so zu formulieren.- war die Siedlung an dieser Stätte vom Ordden als vorübergehend oder als dauernd gedacht? Oder mit anderen Worten:[3] kam der Orden bald zu der Erkenntnis, daß die zuerst gewählte Stelle wegen der Überschwemmungsgefahr für eine dauernde Niederlassung ungeeignet sei? Diese Frage wird sich mit Sicherheit nicht beantworten lassen. Die neue Stelle hatte jedenfalls außer der erhöhten Lage, die gegen Überschwemmungen schützte, noch den Vorteil, daß sie den nach dem Dobriner Lande und Kujawien führenden Straßen näher und zugänglicher war.

Kestner läßt in dieser Frage den Wortlaut der Handfeste von 1233 eine entscheidende Rolle spielen. Darnach erhielt die Stadt den Flußlauf von der oberen Spitze des großen Werders (insula) Lisske an, der sub Nessowe (unter Nessau) liegt. Kestner erklärt sub Nessowe durch 'unterhalb Nessau' und schließt dann, so: 'Suchen wir das Thorn von 1233 an der jetzigen Stelle, so lag die Stadt gar nicht an dem Teil des Flusses, der ihr gehörte; ihr Gebiet fing dann erst eine halbe Stunde von der Stadt entfernt an' u. s. w.1) Gegen diese Beweisführung wendet Heise ein, daß 'sub Nessowe' auch 'unter Nessau', d. h. also 'gegenüber Nessau' bedeuten könne, es sei daher nicht ausgeschlossen, daß die östliche Spitze des Lisskewerders damals so weit hinaufreichte, daß sich ungefähr die gleiche Anfangsgrenze wie in der Handfeste von 1251 ergab2). Auf Grund seiner Deutung der Worte 'sub Nessowe' hält es Kestner für ausgemacht, daß die Handfeste von 1233 noch das Thorn in seiner ursprünglichen Lage meint; er nimmt sodann mit dem Thorner Annalisten als Zeitpunkt der Verlegung das Jahr 1236 an3).

Nach unserer Auffassung hatten die Ordensritter in den Wintern 1230/31-1232/33 Gelegenheit genug, das Gelände auf die Eignung für die Anlage einer Stadt zu prüfen. Sie werden also die Handfeste ausgestellt haben, nachdem zuvor, wohl Frühjahr 1233, die neue Stelle für die Stadtanlage schon festgesetzt worden war. Die Verschiedenheit der Ausdrücke, die für den Anfang des der Stadt Thorn verliehenen Weichsellaufes in den beiden Handfesten gebraucht werden (a superiore parte magna insule, que vocatur Lisske, que est sub Nessowe und a terminis domini Cuiaviensis episcopi) erklärt sich so. Das Gebiet, das der Orden vom Herzog Konrad von Masowien auf dem linken Weichselufer erhalten hatte, stand in seinen Grenzen fest, und es konnten daher Orte aus ihm zur Grenzbeschreibung genommen werden. Fraglich aber ist, ob 1233 schon eine Einigung zwischen dem Bischof von Kujawien und dem Orden über die Grenzen [4] seines Gebietes auf dem rechten Weichselufer erfolgt war. Erst als die Grenzen festgesetzt waren, konnte in der zweiten Handfeste der Ausdruck a terminis u. s. w. gebraucht werden.

________________

Seite 1:
1) Pr. Urkundenb. I 1 S. 56.
2) Geschichte des Kreises Thorn S. 395.
3) Führer durch Thorn. Thorn 1917 S. 77.

Seite 2:
1) Ebd. S. 80.
2) Vgl. Kestner, Beiträge zur Geschichte der Stadt Thorn S. 3.
3) Die Bau- und Kunstdenkmäler der Provinz Westpreussen Heft VI u. VII S. 105 f.
4) Pr. Urkundenb. I 1 S. 30.
5) So früher Kujot in Roczniki 3-1884 S. 2;
    Maerker, Geschichte des Kreises Thorn S. 551 und Sl/ownik geograficzny u. d. W. Tarnowo.
6) Roszniki 21 S. 551.
7) Mitt. d. Copp.-Ver. 26. Heft S. 45 f.
8) Kestner a. a. O. S. 4 f.

Seite 3:
1) A. a. O. S. 5.
2) Die Bau- u. Kunstdenkm. der Prov. Westpr. Heft VI u. VII S. 104 und 203.
3) A. a. O. S. 7.


zurück: Inhaltsverzeichnis
weiter: II. Die Planung der Stadt
 

HEIM@THORN Editorial - Inhalt Die Thorner Stadtniederung - Inhalt Das Buch - Inhalt
Quelltexte - Inhalt Anhang - Inhalt Die Links Mein Thorn
Thorn im 13. Jahrhundert - Inhalt 

© 2000   Volker J. Krueger, heim@thorn-wpr.de
letzte Aktualisierung: 13.03.2004