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Rathausturm mit Copernicus-Denkmal

Pfarrer Heinz Krause



Die Türme Thorns



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in: THORN - Festschrift zur 750-Jahr-Feier der Stadt Thorn, Seite 121 ff, Hrsg.: Horst Ernst Krüger 1981

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Heinz Krause

[121] Wenn ein Berliner Zug bei Schlüsselmühle vorbeiratterte, dann wußte ich genau: jetzt gucken sie alle nach links aus dem Fenster, ob sie nicht den Rathausturm sehen und den wuchtigen Klotzturm der Johanniskirche und die Stadtmauer mit Nonnentor und schiefem Turm und .... so schrieb ein aus der Fremde heimkehrender Sohn Thorns. Wir kennen sie alle - die herrliche turmreiche Silhouette unserer Vaterstadt (siehe Umschlag des Buches). Sie war gleich schön, ob man sie vom Zug aus betrachtete oder von der Bazarkämpe aus oder von der neuen Weichselbrücke her. In dem oben erwähnten Bericht fehlt der Hinweis auf den Turm der Altstädtischen Kirche. Er kommt doch zuerst von der linken Seite ins Blickfeld. Nun, die Betrachtung der Türme Thorns ist wohl vor der Jahrhundertwende geschrieben, und da fehlte er noch. Warum? Davon wird gleich zu berichten sein. Tatsächlich hat sich das prächtige Panorama Thorns im Laufe der Jahrhunderte des öfteren verändert. So gab es im Thorner Stadtbild - noch die Laurentiuskirche und die Klöster der Dominikaner und das zum Hlg. Geist mit ihren. Kirchen. Sie sind schon vor langer Zeit infolge Baufälligkeit oder Kriegszerstörung aus dem Stadtbild verschwunden. Ebenso ist der alte Artushof abgebrochen worden, und das Dach des neuen Artushofes (jetzt Aula der Universität) hat sich zwischen die Türme der Altstädtischen Kirche und des Rathauses geschoben.

An der Südwestecke des Marktes steht die Altstädtische Evangelische Kirche mit ihrem hohen, schlanken Turm. So war es bis zur Jahrhundertwende durchaus nicht. Der Turm wurde erst 1899 nach zweijähriger Bauzeit errichtet - in Anpassung an das barocke Gotteshaus und kennzeichnete so dieses als "Bethaus" (Oratorium) errichtete Kirche als solche. Die Baugeschichte des Bethauses ist ein Stück "Leidensgeschichte", wie Pfarrer Heuer, der letzte Historiker unserer Stadt mit Recht sagt. Ein Dienstmädchen stiftete als erste ein Vermächtnis dafür, andere folgten. Aus ganz Deutschland kamen Spenden, aber die Regierung in Warschau untersagte den Bau. Nach sehr langen und schwierigen Verhandlungen wurde die Baugenehmigung für das Bethaus erteilt, das sich aber in seinem Äußeren nicht von einem Bürgerhause unterscheiden sollte. 1756 wurde dann die Altstädtische Kirche eingeweiht. Das Innere suchte man desto würdiger zu schmücken. Der Altar, die Kanzel, die Orgel bekamen reiche Verzierungen im Rokokostil, während das Gebäude in schlichterem Barok aufgeführt wurde. Die Sakristeitür, ausgeführt in kunstvoller Auslegearbeit aus edlen Hölzern, ist ein bleibender Beweis für die Mühe, die man auf die Innenausstattung der Kirche verwandte wie auch für das Können des Handwerks in Thorn.

Und das alles geschah in einer wirtschaftlich schlechten Zeit unter sehr schwierigen politischen Bedingungen und in einer Zeit voller religiöser Span[122]nungen. Gerade Thorn aber war in vorangegangenen Zeiten berühmt geworden als Tagungsort von Veranstaltungen, wo man versucht hatte, die Spannungen abzubauen. So hatte die sogenannte "Thorner Synode" 1595 den Versuch unternommen, alle evangelischen Bekenntnisse zu vereinen. Im Jahre 1645 fand in Thorn das "liebreiche Religionsgespräch" statt, wo man sogar Katholiken, Lutheraner und Reformierte suchte unter einen Hut zu bringen - also ökumenische ökumenische Gespräche führte, wie sie heute aktuell sind. Das Ergebnis war negativ.

Der Turm der Altstädtischen Kirche erreicht eine Höhe von 64 Metern. Merkwürdigerweise macht der spitze Turm dem stumpfen Rathausturm keine Konkurrenz - auf manchen Aufnahmen des Panoramas der Stadt scheint er ihn fast zu ergänzen. Einst hatte der Rathausturm ja selbst eine Spitze besessen. Das war so bis 1703. Bei der damaligen Belagerung Thorns durch die Schweden wurde der Turmhelm abgeschossen und das Rathaus ging in Flammen auf. Nur die kahlen Mauern blieben stehen. Die ganze westliche Seite des altstädtischen Marktes war ebenfalls in einen Trümmerhaufen verwandelt. Die Stadt wurde erobert und nur eine Brandschatzung in Höhe von 100 000 Talern rettete die Stadt vor der völligen Verwüstung durch die Schweden. Von diesen schweren Schlägen konnte Thorn sich nur mühsamst erholen, zumal 1705 noch die Pest ausbrach und Tausende dahingerafft wurden.

Auch die massige Johanniskirche hatte einen höheren Turm bekommen sollen - nach dem Plan des Rats höher als der Turm der Marienkirche in Danzig. Kurz vor der Vollendung stürzte er in den "pfingstheiligen Tagen" im Jahre 1406 ein und wurde dann mit einem provisorischen Notdach abgedeckt. Das Provisorium blieb. So ist im Panorama der Altstadt nur der eine überragende spitze Turm der Altstädtischen Kirche neben kleinen Giebeltürrnchen der Marienkirche.

Die Neustadt Thorns bekam ihren überragenden Turm auch erst kurz vor der Jahrhundertwende, 1898 wurde die Garnisonkirche mit dem 86 Meter hohen Turm eingeweiht. Die Zeiten hatten sich gewandelt. Die starke Garnison der modernen Festung Thorn bestimmte nun weithin Leben und Treiben der alten Stadt. Die neugotische Garnisonkirche ist ein Symbol dafür. Sie beeinträchtigt in keinerweise die nahe Jakobskirche, deren edler Bau für sich dasteht. Der spitze Turm der Neustädtischen Kirche kommt dagegen nicht an. Er ist auch nur 40 Meter hoch. Der sehr einfach gehaltene Bau wurde auf den Fundamenten des. Rathauses der Neustadt errichtet und zwar in sehr schwerer Zeit nach den Franzosenkriegen (Einweihung 1824). Das Neustädtische Rathaus, gelegen auf, dem gleichnamigen Markt, war 1667 der dortigen evangelischen Gemeinde vom Rat zur Verfügung gestellt worden, nachdem die Jakobskirche wieder katholisch geworden war. Zwischen den beiden Weltkriegen schmolzen die evangelischen Gemeinden zusammen, da wurde dann die Neustädtische Kirche der orthodoxen Kirche überlassen. Die Altstädtische Kirche war und blieb Zentrum des evangelischen Lebens [123] in Thorn bis zum Verlust der Stadt. Heute dient auch sie als "Heilig-Geist-Kirche" der katholischen Kirche.

Die Türme zweier evangelischer Kirchen aus neuerer Zeit, der evangelisch-reformierten Kirche (in der Nähe des Landratsamtes) und der St. Georgkirche in Mocker treten im Panorama der Stadt, wenn man sich ihr vom Westen oder Süden nähert, nicht in Erscheinung, da sie nach Norden zu liegen, dann aber sind sie auch von geringerer Höhe. Beide Kirchen wurden aber bis 1945 von den evangeli-schen Gemeinden genutzt, heute nur noch die ehemals reformierte Kirche.

Als der Vielen bekannte Heimatschriftsteller Pfarrer Just (Sienno, Kr. Bromberg, dort ermordet am l. September 1939) nach einer Besichtigung Thorns heimfuhr, schrieb er in einem seiner Bücher: Als der Zug uns am späten Sonnabendnach-mittag heimführte, blieben wir am Fenster stehen und nahmen das Bild der ge-türmten Weichselstadt und der sonnenbeschienenen Niederung . . . mit. Manchem der Leser dieser Zeilen wird es bei seiner letzten Fahrt aus Thorn ähnlich ergangen sein. Er nahm das Bild der getürmten Weichselstadt mit.




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© 2000  Volker J. Krüger, heim@thorn-www.de
letzte Aktualisierung: 13.03.2004