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Wappen der Familie Krüger aus Thorn

Horst Ernst Krüger:


Die Geschichte einer ganz normalen
Familie aus Altthorn in Westpreussen


kommentiert und um Quellen ergänzt von Volker Joachim Krüger

Diese Seite ist ein Dokument mit einem Kapitel Text

Der erste Weltkrieg und seine Folgen

 

Die Zahl in blauer eckiger Klammer [23] bezeichnet in diesem Dokument immer den jeweiligen Seitenanfang in der Originalausgabe, die dem Herausgeber vorliegt.

Hinter dem eröffnen sich genealogische Zusammenhänge in Bezug auf die betreffende Person.

Falls Sie sich den Originaltext, um den es an der so bezeichneten Stelle geht, ansehen wollen, so werden Sie hier fündig.

Mit diesem Zeichen weist der Herausgeber dieses Dokuments auf Bemerkenswertes hin und

mit diesem Zeichen macht er auf Fragen aufmerksam, die sich ihm zu dem jeweiligen Text gestellt haben.

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Und falls Sie mehr über die soKurzbiographie gekennzeichnete Person erfahren wollen, finden Sie hier eine Kuzbiographie.


Im Ersten Weltkrieg verwaltete meine Mutter unseren Hof, [59] denn mein Vater wurde in den ersten Kriegstagen als Reserveoffizier eingezogen. Keiner in der Familie hatte geglaubt, daß soviel Energie in dieser zarten jungen Frau steckte.

Vier kleine Kinder mußte sie ohne Vater erziehen: Werner, Ursula, Hans-Joachim und Edith. Ich wurde erst nach dem Kriege geboren. Gleich zu Kriegsbeginn waren die russischen Armeen weit nach Ostpreußen hinein vorgestoßen. Es drohte ein Durchbruch bis zur Weichsel. Meine Mutter mußte allein die Vorsorgemaßnahmen für eine Flucht treffen. Sie ließ zwei Ackerwagen mit Nahrungsmitteln, mit Hafer für die Pferde und mit den wichtigsten Wertsachen beladen. Dann gab sie den auf dem Hof verbliebenen Männern die Anweisung, Planen über die Wagen zu spannen. Auch für den Viehtrieb auf das linke Weichselufer ließ sie alle Vorbereitungen treffen.

Sie war damals achtundzwanzig Jahre alt und fühlte sich von Gott und der Welt verlassen. In diesen aufregenden, spannungsgeladenen Tagen und Nächten hatte sie nur den einen Gedanken: ihre drei kleinen Kinder vor der immer bedrohlicher werdenden Gefahr in Sicherheit zu bringen. Als die erlösende Nachricht vom Sieg des Deutschen Heeres bei Tannenberg bei ihr eintraf, fiel ihr ein Stein vom Herzen.

Meinen Geschwistern hatten sich die Schreckenstage zu Kriegsbeginn tief eingeprägt. Sie spielten häufig "die Russen kommen". Einer von ihnen stieß diesen Schrei aus, dann liefen sie zu ihren beiden kleinen Handwagen, sammelten ihre Spielsachen ein, verstauten sie auf ihnen, holten Tücher aus dem Haus und spannten sie über die kleinen Fahrzeuge. Dann zogen sie schnell laufend ihre beiden Bollerwagen quer durch den Garten.

In der knappen Freizeit, die meiner Mutter blieb, las sie gerne die Unterhaltungsromane von Hedwig Courths-Mahler. Die rührendsten Liebesszenen spielten sich bei dieser Schriftstellerin immer in Syrynga-Lauben ab. Meine Mutter träumte davon, ihren Mann im nächsten Urlaub mit einer solchen Gartenlaube zu überraschen. Ein entsprechendes Plätzchen, auf dem Fliederbüsche standen, wurde gerodet und von einer Versandgärtnerei in Schleswig-Holstein Syrynga-Pflan[60]zen bestellt. Der Tischler mußte eine neue Gartenlaube bauen. Sie wurde mit den von Courths-Mahler so bevorzugten romantischen Büschen bepflanzt. Im nächsten Frühjahr schlugen sie aus, und siehe da, es war zum großen Kummer meiner Mutter eine ganz gewöhnliche Fliederhecke, die dort mit den Jahren heranwuchs.

Mein Vater hatte im Kriege mehrfach einige Urlaubstage in Altthorn verlebt. Sie reichten kaum aus, auf dem Hof und in der Familie nach dem Rechten zu sehen. Wen wundert es, daß bei der körperlichen und seelischen Überlastung meiner Mutter die Kinder ins Kraut geschossen waren. Mein ältester Bruder Werner ging nicht gerne zur Schule nach Gurske. Wenn es sich so gefügt hatte, daß es in der Nacht glücklicherweise regnete, lief er frisch angezogen mitten durch die Pfützen, kehrte wieder um und sagte meiner Mutter, er könne nicht mit so nassen Füßen zur Schule gehen, es sei denn, sie wolle, daß er sich auf den Tod erkälte. Als mein Vater einmal aus Dünaburg, wo er an der russischen Front eingesetzt war, für ein paar Tage nach Hause kam, mußte mein Bruder Hans-Joachim seinen Lieblingsplatz im Bett meiner Mutter räumen. Schon nach der zweiten Nacht platzte ihm die Geduld. Als mein Vater auch noch mit ihm höchst überflüssig erscheinenden Erziehungsmaßnahmen begann, lief er zu meiner Mutter und sagte unter Tränen: "Papa soll wieder an die Front nach Dünaburg fahren. Es war doch so schön, als wir beide alleine waren."


 
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© 2000  Volker J. Krüger, heim@thorn-wpr.de
letzte Aktualisierung: 30.07.2004